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- 2 Katholisch-Theologische Fakultaet
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- Das Verhaeltnis von Kirche und Staat in Deutschland ist heute gekennzeichnet
- durch deren gegenseitige Unabhaengigkeit, verbunden mit funktionell begrenzter
- Zusammenarbeit auf Feldern gemeinsamen Interesses. In offener
- Neutralitaet und differenzierender Paritaet schuetzt und foerdert der
- Staat die oeffentliche Potentialitaet der Kirchen und anerkennt sie
- als massgebliche Faktoren der geistigen, sittlichen und religioesen
- Kultur. Die Theologischen Fakultaeten an den staatlichen
- Universitaeten sind in diesem System als gemeinsame Angelegenheiten
- angesiedelt. Das fuer die Pflege der Theologie als Wissenschaft
- notwendige Zusammenwirken von Staat und Kirche findet seinen
- institutionellen Ausdruck darin, dass die Theologischen Fakultaeten
- einen nach Rechts- und Interessensphaeren geordneten Doppelstatus
- besitzen. Sie sind staatliche Institutionen, die unter dem Vorbehalt
- vertraglich fixierter kirchlicher Rechtspositionen der staatlichen
- Hochschulgesetzgebung und Hochschuladministration unterstehen und fuer
- die der Staat die volle Finanzierungslast traegt. Als staatliche
- Einrichtungen dienen sie aber zugleich der Erfuellung kirchlicher
- Aufgaben, naemlich der Ausbildung der Dienste des geistlichen Amtes.
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- Die Theologenausbildung an staatlichen Universitaeten ist dabei
- keineswegs nur eine auslaufende Erscheinung des dahingeschwundenen
- Staatskirchentums. An zahlreichen Universitaeten, die nach Abschluss
- des Saekularisierungsprozesses gegruendet worden sind, und auch bei
- Neugruendungen nach dem 2. Weltkrieg sind Theologische Fakultaeten
- errichtet worden. Den Theologischen Fakultaeten obliegt die Pflege der
- theologischen Wissenschaft in Forschung und Lehre. Ihre
- Ausbildungsfunktion bezieht sich auf die Geistlichen, die
- Religionslehrer (an hoeheren Schulen) und sonstige Bedienstete der
- Kirchen. Einer Theologischen Fakultaet ist die Pflege und Entwicklung
- der theologischen Wissenschaft in Forschung, Lehre und Studium in
- vollem Umfang aufgetragen. Sie hat nicht nur die Ausbildung des
- geistlichen Nachwuchses zu besorgen, sondern in allen theologischen
- und in den Lehramts-Studiengaengen auf die Taetigkeit in von der
- theologischen Wissenschaft gepraegten Berufen vorzubereiten und in
- ihnen weiterzubilden. Neben der Priesterausbildung ist es die
- Ausbildung von Religionslehrern, die seit langem Gegenstand
- konkordataerer Abmachungen zwischen Kirche und Staat ist. Die
- Fakultaeten wurden laengst den Laien geoeffnet. Sie dienen schon lange
- nicht mehr einzig der Priesterausbildung. Dennoch ist hervorzuheben,
- dass die Theologische Fakultaet die besondere Aufgabe hat, die
- wissenschaftliche theologische Ausbildung jener zu gewaehrleisten, die
- auf das Priesteramt zugehen oder sich auf die Uebernahme von
- besonderen kirchlichen Aufgaben vorbereiten.
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- Die Theologischen Fakultaeten nehmen aber auch eine staatliche Aufgabe wahr. Der Staat des Grundgesetzes weiss sich als Kulturstaat der europaeischen
- Wissenschaftstradition verpflichtet, in der die Theologie als
- "Glaubenswissenschaft" ein integrierendes Moment darstellt und zur
- Vollgestalt der Universitaet gehoert. Die Theologie soll sich der
- Auseinandersetzung mit den anderen Wissenschaften stellen, ebenso wie
- diese aus der Praesenz der Theologie Nutzen ziehen sollen. Man kann
- von der kulturellen Bedeutung der Theologischen Fakultaeten in den
- Universitaeten allgemein sprechen. Die Theologie in den staatlichen
- Fakultaeten wird im Hinblick auf neue (unchristliche) Stroemungen
- unverzichtbar. Sie steht mitten in der heutigen Universitaet und in
- Diskussion mit den verschiedenen Nachbarfakultaeten und weltlichen
- Nachbardisziplinen. Sie hat integrierende Funktion. Heute haben die
- Katholisch-Theologischen Fakultaeten und einzelne Disziplinen, etwa in
- Tuebingen, ganz wesentlichen Anteil am Studium Generale der
- Universitaet. In der Diskussion um die Abtreibung, Euthanasie,
- Humangenetik und um die Technikfolgen hat die christliche Ethik einen
- wesentlichen Beitrag zu leisten.
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- Die Theologischen Fakultaeten sind
- staatliche Einrichtungen, die Professoren Beamte. Sie sind
- teilrechtsfaehige Gliedkoerperschaften der staatlichen
- Universitaet. Die katholische Kirche hat ein durch Vertrags- und
- Staatskirchenrecht umschriebenes Einflussrecht auf die
- Katholisch-Theologischen Fakultaeten (z. B. "Nihil obstat" bei
- Ernennung von Professoren und Habilitationen, Promotionsrecht,
- Studien- und Pruefungsordnungen). Die Katholisch-Theologische
- Fakultaet in Tuebingen erfuellt ihre Aufgabe mit einem vergleichsweise
- kleinen Lehrkoerper. Im Berichtszeitraum konnten alle freigewordenen
- Lehrstuehle wieder besetzt werden, der Lehrkoerper wurde um eine
- Professorin fuer Liturgiewissenschaft ergaenzt. Die
- Katholisch-Theologische Fakultaet in Tuebingen ist eine Fakultaet von
- internationalem Rang. Ihre Professoren sind in zahlreichen in- und
- auslaendischen wissenschaftlichen Institutionen vertreten. Enge
- Kontakte der Fakultaet bzw. einzelner Mitglieder bestehen zu einer
- Reihe europaeischer und zu einzelnen nord- und suedamerikanischen
- Universitaeten. 1988/89 wurde ein Kooperationsvertrag mit der
- (staatlichen) Katholischen Akademie in Warschau (Polen)
- abgeschlossen. Enge Partnerschaft besteht mit der Theologischen
- Fakultaet der Katholischen Universitaet von Lyon (Studenten- und
- Dozentenaustausch) und mit der katalanischen Theologischen Fakultaet
- in Barcelona. Seit dem Wintersemester 1992/93 wird das Erasmusprogramm
- Katholische Theologie von der Europaeischen Gemeinschaft gefoerdert,
- das seitdem die Theologischen Fakultaeten in Lyon, Fribourg und Madrid
- umfasst. Ab dem Wintersemester 1993/94 sollen die Fakultaeten in
- Barcelona, Maynooth und Porto hinzutreten. Das Programm wird von
- Tuebingen aus koordiniert und umfasst zwischen allen Fakultaeten den
- Studentenaustausch (Erasmusstipendien), der Dozentenaustausch ist
- ausser mit Lyon noch im Aufbau.
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- Jaehrlich wird zusammen mit dem Institut fuer Fort- und Weiterbildung der
- Dioezese Rottenburg-Stuttgart das Theologische Kontaktstudium fuer Priester
- und Laien im pastoralen Dienst der Dioezese abgehalten.
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- Nach der Fertigstellung des gemeinsamen Bibliotheksneubaus der Katholisch- und
- Evangelisch-Theologischen Fakultaeten zeichnet sich nunmehr ein
- Provisorium hinsichtlich der Sanierung des alten Theologicums ab.
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- Die Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultaet geben gemeinsam
- die aelteste heute noch bestehende theologische Fachzeitschrift der
- Welt, die Tuebinger "Theologische Quartalschrift" (ThQ) heraus. Sie
- wurde 1819 von Gratz, Drey, Herbst und Hirscher ins Leben gerufen und
- ist eine singulaere Dokumentation der Entwicklung und Stroemungen der
- Katholischen Theologie und des kirchlichen Lebens im 19. und
- 20. Jahrhundert, vor allem jener Form kritischer Theologie, die unter
- dem Namen "Katholische Tuebinger Schule" bekanntgeworden ist. Nach den
- Vorstellungen der Herausgeber dient die Zeitschrift nicht nur der
- wissenschaftlichen Kommunikation; sie will vielmehr auch Pfarrern und
- allen im pastoralen Dienst Stehenden sowie Religionslehrern den Stand
- der theologischen Diskussion vermitteln. Seit 1969 werden regelmaessig
- ein oder zwei der vier Jahreshefte als thematische Hefte gestaltet, in
- denen aktuelle Probleme aus der Sicht der verschiedenen theologischen
- Disziplinen behandelt werden. Im Jahre 1992 sind folgende Themenhefte
- erschienen: "Viri probati" und "Die Gegenwart des Mittelalters".
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